Wo und wie entsteht Blut?
Autor: Gesche Tallen, MD, PhD, Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: Prof. Dr. med. U. Creutzig, Zuletzt geändert: 02.12.2011 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e94442
Um besser zu verstehen, was eine Blutkrankheit ist und auch, wie es zu einer Bluterkrankung kommen kann, ist es zunächst wichtig zu erfahren, wie das Blut gebildet wird.
Bei der Blutbildung (Hämatopoese) entstehen zunächst die verschiedenen Blutzellen (siehe Kapitel "Was ist Blut und wozu wird es gebraucht?“). Dabei handelt es sich um einen komplexen Ablauf von Ereignissen, der bei Gesunden im Knochenmark stattfindet. Das blutbildende Knochenmark befindet sich im Inneren der flachen Knochen wie zum Beispiel dem Brustbein oder dem Beckenkamm. Es ist ein schwammartiges Netz aus Knochenbälkchen. Die Räume zwischen diesen Bälkchen enthalten kleine Nester mit blutbildenden Zellen, die von ernährenden Zellen sowie Blutgefäßen und Nerven umgeben sind. Das blutbildende Knochenmark wird auch rotes Mark genannt, weil es sehr reich an kleinen Blutgefäßen ist.
Alle Blutzellen gehen aus einer „Mutterzelle“, der so genannten pluripotenten hämatopoietischen Stammzelle hervor. Die Mutterzelle teilt sich regelmäßig in typische Vorläuferzellen (Progenitorzellen) für die verschiedenen Zellarten , die auch Zellreihen genannt werden. Diese Vorstufen der Blutzellen sind unreif (undifferenziert). Unter dem Einfluss von Wachstumsfaktoren entstehen im Knochenmark schrittweise immer reifere Vorstufen, bis schließlich die funktionstüchtigen, ausgreiften roten Blutkörperchen (Erythrozyten) , Blutplättchen (Thrombozyten) und der Großteil der weißen Blutzellen (Leukozyten) gebildet sind. Eine Ausnahme bilden die Lymphozyten. Sie reifen zum Teil erst im lymphatischen Gewebe des Körpers (Lymphknoten, Milz, Mandeln, Thymusdrüse und Darmschleimhaut) zu voller Funktionsfähigkeit heran. Reife Blutzellen verlassen ihren Entstehungsort mit dem Blutstrom, der sie durch den ganzen Körper transportiert, so dass sie ihre unterschiedlichen, lebenswichtigen Aufgaben ausüben können. Jede Stammzelle kann viele Millionen von Nachkommen bilden.
Die reifen Blutzellen haben eine relativ kurze Lebensdauer. Bei Blutplättchen und weißen Blutzellen beträgt sie lediglich acht bis zwölf Tage, bei roten Blutkörperchen immerhin 120 Tage. Der Verbrauch an Blutzellen ist daher immens: Jede Sekunde gehen über zwei Millionen Blutzellen zugrunde, pro Tag sind das mehrere Milliarden. Das Knochenmark muss also ständig Nachschub produzieren, damit das Blut seine lebenswichtigen Funktionen erfüllen kann. Damit der Körper gesund bleibt, ist die Blutbildung im Knochenmark so reguliert, dass genauso viele neue Zellen jeder Reihe gebildet werden, wie zugrunde gehen. Eine Störung der Blutbildung – wie sie bei den meisten Blutkrankheiten bei Kindern und Jugendlichen vorliegt, lässt sich meist durch bestimmte Blutuntersuchungen (siehe Kapitel "Diagnose") eindeutig feststellen.
Weitere wichtige Bestandteile des Blutes wie zum Beispiel die Gerinnungsfaktoren werden in der Leber gebildet.