Behandlung mit Luspatercept
Autor: Prof. Dr. med. Holger Cario, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 11.03.2024 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e269817
Inhaltsverzeichnis
Was ist Luspatercept?
Luspatercept ist ein künstlich konstruiertes, biotechnisch hergestelltes Eiweißmolekül (Protein). Es hat sowohl Eigenschaften eines bestimmten Rezeptoreiweißes, das es auf der Oberfläche der Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) gibt, wie auch Anteile eines Eiweißes, das sonst bei Antikörpern vorkommt. Diese besondere Struktur ermöglicht es Luspatercept, bestimmte Botenstoffe (=Zytokine) zu blockieren, die sonst bei der Thalassämie zur Hemmung der normalen Bildung von roten Vorläuferzellen im Knochenmark beitragen.
Ziele der Therapie mit Luspatercept
Ziel der Therapie ist eine Steigerung der Ausreifung der gestörten Blutbildung im Knochenmark und die Ausschüttung dieser reifen Erythrozyten in das Blut, so dass es zu einem Anstieg des Hämoglobins im Blut kommt. Dabei soll eine zusätzliche Ausdehnung des Knochenmarkraumes mit der Folge von Knochenschäden, aber auch eine verstärkte Blutbildung in Organen wie Leber und Milz oder in blutbildenden Gewebeabsiedlungen entlang der Wirbelsäule vermieden werden.
Bisherige Erfahrungen mit Luspatercept
Luspatercept ist seit 2020 zur Behandlung erwachsener Patient*innen mit transfusionsabhängiger ß-Thalassämie (TDT) zugelassen. Die Zulassung erfolgte auf der Basis der Ergebnisse der BELIEVE-Studie, einer mit Randomisierung durchgeführten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Arzneimittelstudie, an der mehr als 300 erwachsene TDT-Patienten teilnahmen [CAP2020].
Die Patienten erhielten alle drei Wochen eine subkutane Injektion von Luspatercept (1,0 mg/kg s.c., wenn nötig erfolgte eine Erhöhung der Dosis bis auf maximal 1,25 mg/kg) oder ein Placebo. Insgesamt ist bei etwa einem Drittel der mit Luspatercept behandelten Patienten ein langfristiges Ansprechen mit einer Verminderung der Transfusionshäufigkeit um mehr als ein Drittel zu sehen.
Das Ansprechen wurde in allen untersuchten Patientengruppen beobachtet, unabhängig von Alter, Geschlecht und vorausgegangener Transfusionslast. Auch wenn das Ansprechen bei Patienten mit einem β0/β0- Genotyp (bei dem die Mutation, die der Thalassämie zugrunde liegt, zu einem vollständigen Ausfall des ß-Globin-Gens führt) etwas niedriger war, wurde letztliche bei allen Genotypen eine klinisch relevante Reduktion der Transfusionslast beobachtet.
Ergebnisse einer 2022 veröffentlichten klinischen Studie bei erwachsenen Patienten mit nicht-transfusionsabhängiger Thalassämie (NTDT) ergaben bei 77 % der Patienten ein Anstieg des Hämoglobingehaltes von > 1,0 g/dl im Vergleich zum Ausgangswert [TAH2022]. Dabei erreichte etwa die Hälfte der Patienten einen Anstieg des Hämoglobinwertes von ≥ 1,5 g/dl. Diese Studie führte 2023 zur Zulassung von Luspatercept auch für diese Patientengruppe.
Studien zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Luspatercept werden derzeit durchgeführt (NCT04143724).
Nebenwirkungen der Therapie mit Luspatercept
Als Nebenwirkungen werden vor allem, zum Teil ausgeprägte, Knochen- und Gelenkbeschwerden sowie Kopfschmerzen und Blutdruckerhöhungen berichtet. Zu den schwerwiegendsten Nebenwirkungen in der BELIEVE-Studie gehörten Ereignisse aufgrund verstärkter Gerinnselbildungen, also Thrombosen und Embolien. Sie traten bei einem geringen Prozentsatz der mit Luspatercept behandelten β-Thalassämie-Patienten auf.
Ein besonderes Risiko tragen Patienten, bei denen früher bereits eine Milzentfernung erfolgt ist, vor allem dann, wenn sie noch zusätzliche Risikofaktoren für die Entstehung von Thrombosen aufweisen. Daher sind vor Anwendung des Medikaments vor allem bei milzlosen Patienten eine ausführliche Erhebung der Krankengeschichte und eventuell spezielle Untersuchungen hinsichtlich solcher Risikofaktoren dringend anzuraten.
Beobachtungen bei Patienten mit transfusionsabhängiger ß-Thalassämie (TDT) nach der Zulassung von Luspatercept sowie einzelne Beobachtungen in der Studie bei nicht-transfusionsabhängiger ß-Thalassämie (NTDT)-Patienten weisen darauf hin, dass es unter Luspatercept auch zu einem Wachstum von Blutbildungsherden außerhalb des Knochenmarks kommen kann. Inwiefern diese möglicherweise nur vorübergehend auftreten oder ob und in welchem Umfang sie auch klinisch relevant sind, ist Gegenstand laufender Studien und Therapiebeobachtungen.
Insbesondere bei neu auftretenden Beschwerden, die denen beispielsweise bei einem Bandscheibenvorfall ähneln können, ist unter Luspatercept an die Möglichkeit einer externen Blutbildung als Ursache zu denken.
Literatur
- Taher AT, Cappellini MD, Kattamis A, Voskaridou E, Perrotta S, Piga AG, Filosa A, Porter JB, Coates TD, Forni GL, Thompson AA, Tartaglione I, Musallam KM, Backstrom JT, Esposito O, Giuseppi AC, Kuo WL, Miteva D, Lord-Bessen J, Yucel A, Zinger T, Shetty JK, Viprakasit V, BEYOND Investigators: Luspatercept for the treatment of anaemia in non-transfusion-dependent β-thalassaemia (BEYOND): a phase 2, randomised, double-blind, multicentre, placebo-controlled trial. The Lancet. Haematology 2022, 9:e733-e744 [PMID: 36007538]
- Cappellini MD, Viprakasit V, Taher AT, Georgiev P, Kuo KHM, Coates T, Voskaridou E, Liew HK, Pazgal-Kobrowski I, Forni GL, Perrotta S, Khelif A, Lal A, Kattamis A, Vlachaki E, Origa R, Aydinok Y, Bejaoui M, Ho PJ, Chew LP, Bee PC, Lim SM, Lu MY, Tantiworawit A, Ganeva P, Gercheva L, Shah F, Neufeld EJ, Thompson A, Laadem A, Shetty JK, Zou J, Zhang J, Miteva D, Zinger T, Linde PG, Sherman ML, Hermine O, Porter J, Piga A, BELIEVE Investigators: A Phase 3 Trial of Luspatercept in Patients with Transfusion-Dependent β-Thalassemia. N Engl journal of Med 2020, 26; 382: 1219 [PMID: 32212518]