Ursachen: Wie entsteht eine Fanconi-Anämie?
Autor: PD Dr. med. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 09.01.2023 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e264284
Die Fanconi-Anämie (FA) ist eine Erbkrankheit. Sie ist nicht ansteckend und kann auch nicht im Laufe des Lebens erworben werden.
Die FA wird durch Fehler (Mutationen, sogenannte pathogene Varianten) in bestimmten Erbanlagen (Genen) verursacht. Bisher sind 22 Gene, die so genannten FA-Gene, bekannt, die bei einer FA verändert sein können. Die FA-Gene sind in alphabetischer Reihenfolge bezeichnet (FANCA, FANCB, FANCC und so weiter). Am häufigsten, bei etwa 65% der Patienten, ist das FANCA-Gen betroffen. Ein Großteil der FA-Gene produziert gemeinsam einen Komplex, der aus verschiedenen Eiweißen besteht.
Diese Eiweiße sind für wichtige Reparaturvorgänge am Erbmaterial verantwortlich. Wenn diese Reparatureiweiße aufgrund einer genetischen Veränderung in einer Zelle nicht richtig funktionieren, werden die Träger des Erbmaterials, die Chromosomen, instabil beziehungsweise brüchig. In der Folge entstehen Fehler bei der Vererbung.
Je nach dem, was für ein Zelltyp (zum Beispiel Blutzelle, Knochenzelle, Nierenzelle) von dieser Störung betroffen ist, entstehen dann die gesundheitlichen Probleme, die für Patienten mit FA charakteristisch sind (siehe "Krankheitszeichen").
Außerdem kommt bei der FA hinzu, dass die Reparaturfunktion gestört ist. Normalerweise können „kleinere“ Schädigungen am Erbmaterial durch spezielle Mechanismen selbst repariert werden. Es sind die so genannten DNS-Reparaturmechanismen (die Chromosomen bestehen aus Desoxyribonukleinsäure, DNS).
Bei der FA können beide Faktoren (fehlerhafte Zellen sowie ungenügende Reparaturvorgänge) dazu führen, dass die betroffene Zelle entartet. Deshalb haben FA-Patienten gegenüber ihren gesunden Gleichaltrigen ein vielfach erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens eine bösartige Erkrankung zu entwickeln.
Genetische Veränderungen, die zu angeborenen Erkrankungen führen, werden auf unterschiedliche Art vererbt. Bei der FA liegt in den meisten Fällen ein so genannter autosomal-rezessiver Erbgang vor. Das bedeutet, dass ein Kind die veränderten FA-Gene, die bei der Erkrankung eine Rolle spielen, von beiden Elternteilen erhalten muss, damit die Krankheit auftritt (homozygoter Anlageträger).
Die Eltern sind dabei so genannte heterozygote Anlageträger. Das heißt, dass sie nicht an FA erkrankt sein müssen, jedoch zum Teil über veränderte Gene verfügen, die sie an ihre Nachkommen weitergeben können.
Seltene Ausnahmen sind:
- Veränderungen in FANCB folgen einem X-chromosomalem Erbgang (X-chromosomale Vererbung). Dies bedeutet, dass Männer mit FANCB Veränderungen an FA erkranken, Frauen sind Anlageträger und können an ihre Söhne die Erkrankung weitergeben.
- Veränderungen in FANCR/RAD51 folgen dem sogenannten autosomal-dominanter Erbgang, wobei jeder mit einer heterozygoten Veränderung von FA betroffen ist.
Bei Feststellung einer Veränderung in einem FA-Gen ist immer eine genetische Beratung mit der Besprechung der spezifischen Auswirkungen auf die Familie und weiteren Familienplanung notwendig.
Genetische Beratung
Wie bei jeder Erbkrankheit besteht auch bei einer FA das Risiko, dass die Erkrankung oder die Anlage dafür an die Nachkommen weitergegeben wird.
Gut zu wissen: Bei einer autosomal-rezessiv vererbten Krankheit, die wie oben erwähnt in den meisten Fällen bei einer FA vorliegt, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachkommen krank sind, bei jeder Schwangerschaft 25%.
Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass die Nachkommen (Kinder, Enkel) zwar die Krankheitsanlage erben, jedoch ebenso wie ihre Eltern oder Großeltern nicht an den typischen gesundheitlichen Problemen leiden. In den seltenen Fällen einer X-chromosomalen Vererbung können Frauen an 50 % ihrer Nachkommen die Veränderung weitergeben. Betroffene Männer geben an alle ihre Töchter die Veränderung weiter, aber nicht an ihre Söhne.
Eine autosomal-dominante Vererbung bedeutet, dass unabhängig vom Geschlecht, 50 % der Nachkommen eines Betroffenen ebenfalls an FA erkranken. Es ist wichtig, den Einzelfall und seine Auswirkungen zu verstehen. Daher wird allen Menschen, in deren Familie eine FA schon einmal vorgekommen ist, sowie allen Erkrankungsträgern und erkrankten Patienten empfohlen, bei Kinderwunsch eine genetische Beratung wahrzunehmen. Dort können die Risiken, die sich für die Schwangere oder das Kind ergeben könnten, bestimmt und besprochen werden, und auch die möglichen Maßnahmen, die zur Geburt eines gesunden Kindes beitragen, aufgezeigt werden.