Ursachen: Wie entstehen Schlaganfälle?
Autor: Dr. med. Martin Olivieri, Dr. med. habil. Gesche Tallen, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 24.01.2018 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e192651
Die Ursachen von Schlaganfällen bei Kindern sind in erster Linie altersabhängig (siehe Arten von Schlaganfällen), das heißt, die Ursachen sind bei Feten (Plural von Fetus) und Neugeborenen meist andere als bei Kindern und Jugendlichen. Es ist wichtig, die unterschiedlichen Risiken und Ursachen (siehe „Arten von Schlaganfällen“) zu kennen, um Schlaganfällen vorzubeugen.
Risiken für Schlaganfälle in der Perinatalperiode
Die Ursachen für einen Schlaganfall in der Perinatalperiode (von der 20. Schwangerschaftswoche bis zum 28. Lebenstag) sind vielfältig. Folgende Risikofaktoren begünstigen einen Schlaganfall in den verschiedenen Phasen der Perinatalperiode:
Risikofaktoren während der Schwangerschaft
- Entzündungen in der Gebärmutter, wie beispielsweise im Fruchtwasser und/oder der Plazenta (Chorioamnionitis)
- Bluthochdruck der Mutter (so genannte Präeklampsie)
- Zuckerkrankheit der Mutter (Diabetes mellitus)
- erhöhtes Thrombose-Risiko bei der Mutter
- Wachstumsstörungen des Fetus
- Herzfehler beim Fetus
Risikofaktoren während der Geburt/ Entbindung
- Notfall-Kaiserschnitt
- Zangen-/Saugglockengeburt
- Sauerstoffmangel des Neugeborenen (Asphyxie)
- Geburtsverletzung des Neugeborenen
- angeborener Herzfehler
- Flüssigkeitsmangel des Neugeborenen (Dehydratation)
Risikofaktoren nach der Geburt
- angeborener Herzfehler
- schwere Infektionen wie Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Sepsis
- zu viele rote Blutkörperchen beim Neugeborenen (Polyglobulie)
- Gerinnungsstörungen mit erhöhtem Thrombose-Risiko beim Neugeborenen
- zentraler Venenkatheter als Behandlung des Neugeborenen
- gestörte Umstellung des Blutkreislaufs nach der Geburt (pulmonale Hypertonie des Neugeborenen)
- maschinelle Beatmung bei schweren Lungenkrankheiten des Neugeborenen / (zum Beispiel extrakorporale Membranoxygenierung, ECMO)
- Flüssigkeitsmangel des Neugeborenen (Dehydratation)
Ursachen von Schlaganfällen bei Kindern und Jugendlichen
Die Ursachen für Schlaganfälle in dieser Altersgruppe unterscheiden sich von denen beim Fetus beziehungsweise beim Neugeborenen.
Wichtig zu wissen: Mehr als 50% der Kinder und Jugendlichen mit einem Schlaganfall haben mindestens zwei der folgenden Risikofaktoren:
- Erkrankung mit Veränderungen der Wände von Arterien im Gehirn (Arteriopathien)
- Infektion
- Herzkrankheit
- Gerinnungsstörung (Koagulopathie)
- Blutkrankheit, beispielsweise Sichelzellkrankheit, Eisenmangelanämie, hämolytische Anämien
- Stoffwechselkrankheit
- Bestimmte medizinische Behandlungen
- Andere Risikofaktoren
1. Erkrankung mit Veränderungen der Wände von Arterien im Gehirn (Arteriopathien)
Arteriopathien sind die häufigste Ursache von Schlaganfällen im Kindes- und Jugendalter. Sie können auftreten
- im Rahmen der so genannten transienten cerebralen Arteriopathie (TCA). Die TCA ist eine der häufigsten Arteriopathien, die bei Kindern einen Schlaganfall auslösen kann. Sie geht vor allem mit Gefäßwandschäden in den großen Gehirnarterien einher, die zu dann zu schweren Minderdurchblutungen in lebenswichtigen Gehirnregionen (Basalganglien) führen. Die Ursachen und Verläufe der TCA werden derzeit noch erforscht.
- bei der Moya-Moya-Erkrankung (auch Moyamoya-Syndrom), einer Erkrankung von Gehirngefäßen, bei der es aus zumeist noch unbekannten Gründen zu Verengungen oder Verschlüssen von Gehirn-Arterien kommt
- bei bestimmten Autoimmunkrankheiten (systemischer Lupus erythematodes)
- bei bestimmten Erbkrankheiten (zum Beispiel Neurofibromatose)
- nach Infektion eines Blutgefäßes (postinfektiöse Vaskulitis)
- bei bestimmten Erkrankungen des Bindegewebes (Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom).
- Bei Erkrankungen des Bindegewebes kann es wie bei Gefäßentzündungen nach Infektionen oder im Rahmen von Schädel-Hirn-Verletzungen zu Einrissen und Aufspaltungen (Dissektionen) in Gefäßwänden und in der Folge zu Einblutungen ins Hirngewebe kommen. Diese Einblutungen können auf Blutgefäße in ihrer Umgebung drücken und so wiederum zu akuten Durchblutungsstörungen in der betroffenen Hirnregion führen. Gefäßdissektionen sind für etwa 7 - 20 % der Schlaganfälle im Kindes- und Jugendalter verantwortlich.
Wichtig zu wissen: Kinder und Jugendliche mit Arteriopathien haben ein bis zu 10 % erhöhtes Risiko, wiederholt Schlaganfälle zu erleiden. Dabei ereignen sich drei Viertel dieser Rückfälle innerhalb der ersten drei Monate nach dem ersten Schlaganfall.
2. Infektionen
Infektionen sind wichtige Risikofaktoren, insbesondere für arteriell ischämische Schlaganfälle (siehe Arten von Schlaganfällen) bei Kindern im Vorschulalter.
Zu den häufigsten dieser Infektionen gehören:
- Windpocken oder Gürtelrose (Varizella-Zoster-Virus)
- Lungenentzündung durch Mycoplasma pneumoniae
- Lyme-Krankheit (von Zecken-übertragene Infektion durch Borrelien)
- Hirnhautentzündung (Meningitis durch Pneumokokken oder bei Tuberkulose)
3. Herzkrankheiten
Verschiedene angeborene und erworbene Herzkrankheiten stellen wichtige Risikofaktoren dar. Ein veränderter Aufbau des Herzens (wie bei einem Herzfehler) als auch eine veränderte Herzarbeit (wie bei Herzrhythmusstörungen) können zu Störungen des Blutflusses führen und in der Folge die Bildung eines Blutgerinnsels anstoßen.
Folgende Herzerkrankungen erhöhen das Schlaganfallrisiko:
- Herzrhythmusstörungen
- angeborene oder erworbene Herzfehler
- Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditis)
- Herzmuskelerkrankungen (Kardiomypathie)
- Operation am Herzen
4. Gerinnungsstörungen (Koagulopathien)
Kinder und Jugendliche mit den folgenden Erkrankungen leiden auch an Störungen der Blutgerinnung, die das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen:
- bestimmte Stoffwechselerkrankungen (zum Beispiel Hyperhomozysteinämie)
- (Gerinnungs-) Faktorenmangelerkrankungen
- Thrombophilie
Ausführliche Informationen finden Sie auf unseren Webseiten:
5. Blutkrankheiten
Folgende Formen der Blutarmut (Anämie) gehen mit einer veränderten Blutzusammensetzung einher, die nicht selten zur Gerinnselbildung führt:
- Sichelzellkrankheit und andere hämolytische Anämien
- Eisenmangelanämie
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6. Stoffwechselkrankheiten
Manche angeborene Erkrankungen des Stoffwechsels führen zu Ablagerungen von Stoffwechselprodukten an den Innenwänden von Blutgefäßen. Andere gehen mit einer gestörten Funktion der Blutgefäße einher, die eine Gerinnselbildung fördert. Zu diesen Stoffwechselkrankheiten gehören:
- Homocystinurie
- Morbus Fabry
- Mitochondrinopathien
7. Bestimmte medizinische Behandlungen
Zahlreiche Medikamente und Behandlungen können durch ihre gerinnungsfördernden Nebenwirkungen beziehungsweise durch direkte Schädigung von Blutgefäßen im Gehirn das Schlaganfallrisiko erhöhen. Hierzu gehören:
- Chemotherapie mit Asparaginase, Anti-Baby-Pille, Glukokortikoide)
- Strahlentherapie
8. Andere Risikofaktoren
Folgende weitere Erkrankungen gehen mit einer direkten Schädigung von Hirngefäßen beziehungsweise mit verändertem Blutfluss einher und erhöhen so das Schlaganfallrisiko:
- Schädel-Hirn-Verletzung
- Gefäßmissbildungen im Gehirn (zum Beispiel Aneurysma, Kavernom)
- Gehirntumor
- akute Krankheiten, die mit Flüssigkeitsverlust (Dehydratation) einhergehen
- Trisomie 21
- Sturge-Weber-Syndrom