Ursachen von sekundären (reaktiven) Thrombozytosen

Autor:  Prof. Dr. med. Markus Metzler, Zuletzt geändert: 10.01.2024 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e274866

Eine sekundäre Thrombozytose tritt als Reaktion auf verschiedene Prozesse im Körper auf. Sie wird daher auch reaktive Thrombozytose genannt. Zu den Auslösern einer reaktiven Thrombozytose gehören bei Kindern und Jugendlichen insbesondere:

  • Infektionen
  • chronisch entzündliche Erkrankungen
  • Gewebsverletzungen
  • bestimmte Formen der Blutarmut
  • Eisenmangel

Bei allen diesen Prozessen werden Botenstoffe (Zytokine) ausgeschüttet, die unter anderem die Bildung von Blutplättchen im Knochenmark anregen. Der Botenstoff, der hauptsächlich für die Bildung und Reifung von Blutplättchen verantwortlich ist, ist das Thrombopoietin (Tpo).

Infektionen

Infektionen, die bei Kindern und Jugendlichen häufig mit einer Thrombozytose einhergehen, sind beispielsweise:

  • Lungenentzündung (Pneumonie)
  • Hirnhautentzündung (Meningitis)
  • Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis), Nierenzündung (Nephritis)
  • Gelenkentzündung (septische Arthritis)
  • Knochenentzündung (Osteomyelitis)
  • Magen-Darm-Infekt (Gastroenteritis)
  • Bakterien im Blutkreislauf (Sepsis)

Bei schweren Infektionen kommt es oft zunächst zu einem erhöhten Blutplättchenverbrauch. Die Erhöhung der Blutplättchenzahl / Thrombozytose erfolgt erst später. Sie ist eine Reaktion des Knochenmarks auf den vorübergehenden Blutplättchenmangel.

Dieser Anstieg der Blutplättchen über das normale Maß hinaus, das so genannte „Rebound“-Phänomen, wird besonders bei Neugeborenen und Säuglingen beobachtet. Dieses „Rebound-Phänomen“ kommt ebenso nach übermäßigem Thrombozytenverbrauch im Rahmen bestimmter Erkrankungen des körpereigenen Abwehrsystems (Autoimmunkrankheiten), wie beispielsweise nach einer Immunthrombozytopenie (ITP) vor. Auch nach einer Chemotherapie, also in Folge von Behandlungen, die mit einer zeitweiligen Unterdrückung der Blutbildung im Knochenmark einhergehen, kann es entsprechend zu einer vorübergehend überschießenden Thromobozytenbildung kommen.

Bei bestimmten Erkrankungen/Verletzungen wird die Anzahl der Blutplättchen erhöht. Dafür sorgen „Botenstoffe“/Zytokine.

Chronisch entzündliche Erkrankungen

Ähnlich wie bei akuten Infektionen (siehe oben) kommt die Thrombozytenerhöhung auch bei chronisch entzündlichen Erkrankungen vor. Auch hier sind Zytokine die Verursacher der vermehrten Thrombozytenproduktion. Zu diesen Erkrankungen gehören unter anderem

Gewebsverletzungen

Thrombozytosen durch Zytokinfreisetzung nach einer Gewebsverletzung entstehen insbesondere nach:

  • Operationen
  • Unfällen (zum Beispiel Sport- oder Verbrennungsunfälle).

Bestimmte Formen der Blutarmut (Anämien)

Bei verschiedenen Formen der Blutarmut (Anämien) kommt es zum Auftreten einer sekundären Thrombozytose. Dies betrifft vor allem sogenannte hämolytische Anämien, bei denen die Zerstörung roter Blutkörperchen in den Gefäßen durch Freisetzung von deren Inhaltsstoffen unter anderem eine Freisetzung von Zytokinen zur Folge hat, die die Blutplättchen-Bildung stimulieren. Auch die allgemeine Aktivierung des Knochenmarkes, dessen vorrangiges Ziel die gesteigerte Nachproduktion roter Blutkörperchen ist, kann zur verstärkten Thrombozyten-Produktion beitragen. Diese tritt ebenfalls infolge der bei schwerer Anämie vorliegenden eingeschränkten Sauerstoffversorgung in Geweben und Organen ein. Hämolytische Anämien bei Kindern und Jugendlichen, die mit einer Thrombozytose einhergehen können, sind beispielsweise:

Recht häufig tritt im Rahmen einer ausgeprägten Eisenmangelanämie eine Thrombozytose auf.

Seltene Ursachen für sekundäre Thrombozytosen

Es gibt ebenfalls sekundäre Thrombozytosen als Reaktionen auf verschiedene seltene Erkrankungen und Medikamente, für die der Mechanismus der Thrombozytenerhöhung noch nicht vollständig geklärt ist.

Hierzu zählen u.a.:

  • die Therapie mit bestimmten Blutverdünnern (niedermolekulares Heparin)
  • Behandlung von Neugeborenen mit bestimmten Wachstumsfaktoren (Granulozyten-Kolonien stimulierender Faktor, G-CSF)
  • Familiäre Mastozytose (Urticaria pigmentosa)
  • Infantile kortikale Hyperostose (Caffey Erkrankung)

Sekundäre Thrombozytose nach Milzentfernung

Neben einer vermehrten Produktion der Thrombozyten im Knochenmark (siehe oben), kann ein verminderter Abbau von Blutplättchen (diese haben im Durchschnitt eine Lebensdauer von 12 Tagen und werden in der Milz abgebaut) eine sekundäre Thrombozytose verursachen. Dazu kommt es vor allem nach einer Entfernung der Milz (zum Beispiel im Rahmen der Behandlung einer Kugelzellanämie) oder durch den Untergang des Milzgewebes (bei Sichelzellkrankheit) oder nach Unfällen mit Milzverletzungen.

Die Milz ist ein Organ im linken Oberbauch und unter anderem für den Abbau von Blutzellen verantwortlich. Daher kommt es nach dem kompletten oder teilweisen Ausfall der Milzfunktion zunächst zu einem starken Anstieg der Thrombozytenzahlen, die sich allerdings längerfristig zumindest nach teilweise Milzentfernung in der Regel wieder von selbst normalisieren und auch bei vollständigem Milzausfall häufig wieder deutlich zurückgehen.