Behandlung: Wie wird eine Hämochromatose behandelt?
Autor: Dipl. med. Bernhard Eisenreich, PD Dr. med. Gesche Riabowol, Zuletzt geändert: 21.08.2024 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e277264
Inhaltsverzeichnis
Wurde bei Ihrem Kind eine Eisenstoffwechselstörung festgestellt, so sollte es in einem spezialisierten Behandlungszentrum betreut werden
Regelmäßige Vorstellungen in einem solchen Zentrum sorgen dafür, dass der Krankheitsverlauf sorgfältig überwacht sowie Komplikationen frühzeitig erkannt und behandelt werden.
Das Hauptziel der Behandlung ist eine Entleerung der Körpereisenspeicher.
Aufgrund des erhöhten Eisenbedarfs während des Wachstums im Kindes- und Jugendalter ist nur bei wenigen Krankheitsbildern eine eisenentziehende Therapie nötig. Hierfür gibt es zwei Behandlungsmethoden.
Behandlung durch Aderlass
Die Behandlung durch Aderlass (Phlebotomie) ist die erste Therapiewahl. Sie gliedert sich in eine Behandlungs- und eine Erhaltungsphase. Die Behandlung besteht aus wöchentlichem oder zweiwöchentlichem Aderlass, bis ein Ziel-Serumferritinspiegel von 50 bis 100 µg/L erreicht ist. Danach wird eine Erhaltungstherapie durchgeführt, um den Ziel-Serumferritinspiegel zu stabilisieren. In den meisten Fällen erfordert dies alle drei Monate eine Phlebotomie, aber die erforderliche Häufigkeit ist sehr variabel und wird individuell angepasst. Derzeit ist die Phlebotomie-Therapie Personen mit erhöhten Serum-Ferritinwerten vorbehalten, die nachweislich an einer Eisenüberladung leiden.
Eisenchelatore sind Medikamente, die Eisen binden und so eine Eisenausscheidung ermöglichen. Eisenchelatoren kommen vor allem bei Patienten zum Einsatz, die einen Aderlass nicht gut vertragen. Mehr zu den verschiedenen Eisenchelatoren finden Sie auf kinderblutkrankheiten.de hier:
Medikamentöse Entfernung des Eisens aus dem Körper (Eisenentzugstherapie) (kinderblutkrankheiten.de)
Hämochromatosepatienten und ihre Familien sollten wissen:
- eine eisenarme Ernährung hat keinen zusätzlichen Effekt auf das Ergebnis bei Hämochromatose-Patienten, die Aderlässe erhalten
- eisenenthaltende Vitaminpräparate und eisenergänzende Nahrungsmittel sollten jedoch vermieden werden
- die Einnahme von Vitamin C sollte nicht mehr als 500 mg täglich betragen, da Vitamin C die Eisenaufnahme aus dem Darm verbessert
- Alkoholgenuss sollte vermieden werden
- bei schwerem Leberschaden sollten die empfohlenen Termine zur Leberkrebs-Vorsorge (Ultraschalluntersuchung und Bestimmung von Alphafetoprotein im Blut) regelmäßig wahrgenommen werden (betrifft in erster Linie Erwachsene)
- Blutspenden von Hämochromatose-Patienten sind ohne Einschränkung verwendbar Außer bei den üblichen Gegenanzeigen für die Blutspende gibt es für Patienten, bei denen eine Bluttransfusion angezeigt ist, keinen medizinischen Grund dafür, das gespendete Blut von Hämochromatose-Patienten abzulehnen.
Humangenetische Beratung
Laut Gendiagnostikgesetz sind so genannte vorhersagende (prädiktive) Gentests bei nicht einwilligungsfähigen Minderjährigen, zum Beispiel bei Verwandten von Hämochromatosepatienten, die weder gesundheitliche Probleme noch erhöhte Eisenwerte im Blut haben, in Deutschland nicht statthaft. Unter Umständen ist eine genetische Diagnose notwendig, beispielweise aufgrund bestimmter Symptome (siehe „Krankheitszeichen“) oder bei Zeichen der erhöhten Eisenlast (siehe „Diagnose“). Um die Behandlung zu steuern, darf jeder Arzt mit entsprechender Fachkunde nach einer dokumentierten Aufklärung des Betroffenen und seiner Sorgeberechtigten einen "diagnostischen Gentest" vornehmen.
Spezielle Behandlungen bei Eisenüberladung
Komplikationen bei Hämochromatose, wie beispielsweise Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Leberfunktionsstörungen, Gelenkbeschwerden, Hormonstörungen, Herzerkrankungen bedürfen zusätzlicher Untersuchungen und Behandlungen durch unterschiedliche Spezialisten wie Endokrinologen, Kardiologen, Rheumatologen und andere mehr. Außerdem sollten Patienten mit Eisenüberladung gegen Hepatitis A und B geimpft werden.
Weitere spezielle Maßnahmen sind bei der folgenden Form der Eisenüberladung angezeigt:
Neugeborenen-Hämochromatose
Bei Neugeborenen mit nachgewiesener neonataler Hämochromatose (siehe „Ursachen“ und „Diagnose“) besteht das Behandlungsziel darin, die Antikörperreaktion der Mutter gegen das Lebergewebe des Kindes unmittelbar nach der Geburt so schnell wie möglich (das heißt: ohne Zeitverzögerung durch Warten auf die Ergebnisse spezieller Blut- oder bildgebender Untersuchungen) zu stoppen, um das Leben des Neugeborenen zu retten. Hierzu erhält das Baby in der Regel intravenöse Gaben von hochdosierten Immunglobulinen („IVIG“) und eine Blutaustauschtransfusion.
Wichtig zu wissen für Mütter von Kindern mit Neugeborenen-Hämochromatose: Das Risiko einer Wiederholung der Antikörperreaktion in der nächsten Schwangerschaft und damit eines Leberversagens beim nächsten Kind beträgt über 90 %.
Aus diesem Grund ist bei den betroffenen Frauen bereits während der Schwangerschaft eine Behandlung mit IVIG angezeigt, durch die eine Wiederholung der Immunreaktion beim nächsten Kind zu 90 % verhindert werden kann.