Welche Arten von infantilen Hämangiomen gibt es?
Autor: Prof. Dr. med. J. Rößler, Dr. med. Tobias Däbritz, Zuletzt geändert: 13.11.2024 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e278231
Inhaltsverzeichnis
Infantile, also im Säuglingsalter auftretende Hämangiome, treten typischerweise in den ersten Tagen oder Wochen nach der Geburt auf und zeigen einen charakteristischen Verlauf. Es gibt Vorläufer-Formen wie umschriebene (begrenzte) Erweiterungen von Blutgefäßen unter der Haut (Teleangiektasien) sowie blutarme, rötliche oder bläuliche Flecken.
Abhängig vom Ort des Auftretens erfolgt eine Einteilung in oberflächliche (kutane), tiefe (subkutane) oder gemischte (kutane/subkutane) infantile Hämangiome (siehe das folgende Unterkapitel „Lokalisierte infantile Hämangiome“).
Tiefe infantile Hämangiome werden häufig erst im Laufe des frühen Säuglingsalters mit 2-3 Monaten oder später wahrgenommen und können als bläuliche Schwellung auftreten. Zumeist kommt es innerhalb der ersten 3 Lebensmonate zu einer deutlichen Größenzunahme. Bereits 80 % des gesamten Größenwachstums ist am Ende des 3. Lebensmonats vollendet. Selten kommt es vor allem bei tiefen infantilen Hämangiomen zu einer Größenzunahme bis hin zum 24. Lebensmonat.
Wichtig zu wissen: Ein infantiles Hämangiom macht folgende drei Stadien durch:
- Wachstumsphase: Die erste Phase dauert 6 bis 9 Monate
- Stillstand des Wachstums: Seine Größe verändert sich nicht mehr
- Rückbildungsphase: Meist um das 9. Lebensjahr ist die Rückbildung abgeschlossen. In 70 % der infantilen Hämangiome verbleiben nach abgeschlossener Rückbildung Restbefunde der Haut wie verblasste Blutgefäße, eine schlaffe Haut oder eine Bindegewebsvermehrung.
Lokalisierte infantile Hämangiome
90 % aller infantilen Hämangiome sind lokalisiert. Das heißt, sie wachsen scharf begrenzt und gehen von einem zentralen Punkt aus.
Die lokalisierten infantilen Hämangiome werden eingeteilt in:
- kutane infantile Hämangiome, die flach (im Hautniveau) oder erhaben sein können
- subkutane infantile Hämangiome, die unter der Haut liegen
- kombiniert kutan und subkutan auftretende infantile Hämangiome
Die infantilen Hämangiome sind häufig bei der Geburt noch nicht vorhanden, fallen jedoch als kleiner roter Punkt bei den Vorsorgeuntersuchungen U2 oder U3 (siehe Gelbes Heft) auf. Das Wachstumsverhalten ist unterschiedlich. Manche infantilen Hämangiome zeigen über Wochen und Monate kaum wahrnehmbare Größenveränderungen, andere nehmen schnell enorme Ausmaße an. Die Mehrzahl der infantilen Hämangiome (60 %) befindet sich im Kopf- und Halsbereich.
Segmentale infantile Hämangiome
Seltener als lokalisierte infantile Hämangiome sind die segmentalen Hämangiome mit flächiger Ausdehnung in bestimmten Körperregionen. Sie können sowohl im Bereich des Kopfes und der Arme als auch im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Steißbeins vorkommen.
Im Gegensatz zu den lokalisierten infantilen Hämangiomen sind die segmentalen Formen in der Regel größer ausgedehnt. Auch gehen sie häufiger mit Gefäß- oder Fehlbildungen einzelner Organe einher. Charakteristisch sind ihre flächige Ausdehnung und ihr Bezug zu einem bestimmten Körpersegment. Sie sind bei Geburt häufig kaum sichtbar, können aber schnell an Farbintensität zunehmen. und bereiten dann häufig gesundheitliche Probleme.
Beim so genannten "PHACES-Syndrom" handelt es sich um ein segmentales infantiles Hämangiom in der Gesichts- und Schulterregion. Dieses Hämangiom kann mit Fehlbildungen des Brustbeins, der Hauptschlagader oder anderen Blutgefäßen sowie Herzfehlern, Veränderungen im Augenbereich und zystischen Erweiterung der Hirnwasserräume (so genannte Dandy-Walker-Variante) einhergehen.
Das "PELVIS-, SAKRAL- oder LUMBAR-Syndrom" geht mit einem segmentalen infantilen Hämangiom im Dammbereich sowie Fehlbildungen der Blase, der Niere, der Knochen, der Blutgefäße, des Rückenmarks und seiner Häute, des Anus und mit Hautanhängseln einher.
Leberhämangiome
Hämangiome der Leber werden in Abhängigkeit von ihrer Anzahl in einzeln (fokal), mehrfach (multifokal) und nicht deutlich zuordenbar (diffus) eingeteilt. Fokale Leberhämangiome gleichen in ihren Eigenschaften angeborenen (kongenitalen)
Hämangiomen mit schneller Rückbildung (Rapid Involuting Congenital Hemangioma = RICH) oder ausbleibender Rückbildung (Non involuting congenital hemangioma = NICH).
Ein Wachstum erfolgt vor Geburt, so dass 30 % der fokalen Leberhämangiome bereits während der Schwangerschaft im Rahmen der Feindiagnostik auffällig werden. Nach der Geburt erfolgt keine Größenzunahme. Begleitende Hämangiome der Haut werden nur in 15 % gesehen. Multifokale und diffuse Leberhämangiome dagegen sind infantile Hämangiome und bei Geburt nicht vollständig ausgebildet. Diese wachsen meist innerhalb der ersten 12 Lebensmonate mit nachfolgender Rückbildung innerhalb der ersten 5 Lebensjahre.
Hämangiomatose
Beim Auftreten ab 5 oder mehr infantilen Hämangiomen spricht man von einer Hämangiomatose. Säuglinge mit 5 oder mehr infantilen Hämangiomen können in bis zu 16 % der Fälle ein höheres Risiko für Leberhämangiome und noch seltener für Hämangiome der Milz haben. Um diese auszuschließen, sollte ein Ultraschall des Bauches erfolgen (Abdomen-Sonographie).
Kongenitale Hämangiome
Im Vergleich mit infantilen Hämangiomen sind angeborene (kongenitale) Hämangiome nach Geburt bereits voll ausgebildet und zeigen nach der Geburt keine Größenzunahme. Das Aussehen kann dem des infantilen Hämangioms ähnlich sein.
Abhängig vom Verlauf unterscheidet man zwischen:
"Rapid Involuting Congenital Hemangioma (RICH)":
Diese Formen sind bei der Geburt bereits vollständig entwickelt und bilden sich schnell (engl. "rapid"), das heißt in der Regel innerhalb der ersten 14 Lebensmonate, vollständig zurück (engl. für zurückbildend: "involuting").
"Non involuting congenital hemangioma (NICH)"
Diese Formen bilden sich nicht von selbst zurück, zeigen aber auch kein Wachstum.
"Partial involuting congenital hemangioma (PICH)"
Diese angeborenen Hämangiome bilden sich nur teilweise innerhalb des Kleinkindalters zurück.
Eine medikamentöse Therapie ist bei angeborenen (kongenialen) Hämangiomen nicht wirksam.